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Im Interview: Verbindung von Wirtschaftskraft und Umweltschutz ist zukunftsweisend

Erschienen: Wirtschaftsspiegel Thüringen, Ausgabe 6/2018 (Jg. 14), S. 6-7.

 

Trendforscher behaupten, dass die Themen Nachhaltigkeit und Ressourcen-Effizienz zu den großen Treiberthemen der Zukunft gehören werden. Langsam aber sicher beginnen immer mehr Unternehmen, sich darauf einzustellen und bemerken, dass sich dies positiv auf die Bilanzen auswirkt. Thüringens Umwelt- und Energieministerin Anja Siegesmund (B’90/GRÜNE) spricht im WIRTSCHAFTSSPIEGEL-Interview darüber, wie sich mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben lassen und wie die Landespolitik Unternehmen beim nachhaltigen Wirtschaften unterstützen kann.

 

Frau Ministerin, grünes Gedankengut wird in der Wirtschaft bisweilen belächelt – um es mal wohlwollend zu formulieren. Nervt es Sie, in bestimmten Zirkeln als Bremserin für wirtschaftliche Entwicklung angesehen zu werden?

Nein, das Gegenteil ist richtig. Ich will, dass wir neue Türen aufstoßen und neue Chancen nutzen. Die globalen Anforderungen an die Wirtschaft wachsen. Wenn die deutsche Autoindustrie beispielsweise früher grün gedacht hätte, wäre sie weltweit weiter führend und müsste sich zudem nicht rechtfertigen, warum der Verkauf von deutschen E-Automobilen trotz aller Förderung in den Kinderschuhen steckt. Eine ganze Branche ist in eine Glaubwürdigkeitskrise gerutscht. Deshalb fördere ich Elektromobilität inklusive Wasserstoff und innovative Technologien. Fakt ist: Es lässt sich auch mit einer deutlich ökologischeren Industrie Geld verdienen.

Kann man also mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben?

Das tun wir längst. Der effizientere Umgang mit Energie spart Kosten. Effizienz- und Unternehmensgewinne bedingen einander. Ich zeichne jährlich die besten Unternehmen in Thüringen für Effizienz und Nachhaltigkeit aus. Die Firma Königsee Implantate aus Allendorf hat beispielsweise den Energieeffizienzpreis 2017 dafür erhalten, dass sie ganzheitliches Energiemanagement betreibt, in dessen Fokus die optimale Abwärmenutzung und -speicherung steht. Sie nutzt Abwärme aus der Drucklufterzeugung, dem Serverraum und den Produktionshallen und sichert damit eine bedarfsgerechte Wärmeversorgung. Anderes Beispiel: Wenn ein Kunststoffunternehmen sparsame Elektromotoren beim Spritzguss einsetzt, wird der Aufwand für Energie reduziert. Und das nicht nur im Moment der Anfangsinvestition, sondern für die komplette Lebenszeit der Technik. So gibt es noch viele andere Firmen. Ich will Ihnen dazu ein paar Zahlen nennen: Das globale Marktvolumen der Umwelttechnik und Ressourceneffizienz hat 2016 die Marke von drei Billionen Euro überschritten und beläuft sich auf 3.214 Milliarden Euro. Deutsche Unternehmen hielten 2016 am Weltmarkt in Umwelttechnik und Ressourceneffizienz einen Anteil von 14 Prozent. Das ist doch sagenhaft!

Gerade das Thema Ressourcen-Effizienz hört man sehr oft. Ist das einfach nur ein neuer Hype?

Es ist die Verbindung von Wirtschaftskraft und Umweltschutz und deshalb zukunftsweisend. Ressourcen-Effizienz als Begriff ist der heute erreichte Zwischenstand aller Überlegungen zum Thema Nachhaltigkeit. Nehmen Sie sauberes Wasser, reine Luft und verfügbare Rohstoffe. Es liegt auf der Hand, dass die am Ende für uns Menschen in einem endlichen Maß zur Verfügung stehen. Auch bei der Energieerzeugung stellt sich die Frage, mit welchen Mitteln wir künftig die erforderliche Energie erzeugen. Das ist kein „Hype“, sondern eine Antwort auf die Frage, wie wir morgen leben werden und wollen. Letztlich setzt sich auch in der Wirtschaft der Gedanke durch, dass der nachhaltige Umgang mit Ressourcen immer auch Kosten spart.

Wo stehen Thüringen und seine Wirtschaft bei diesem Thema?

Ich fördere Thüringer Unternehmen wie kein Umweltminister vorher – etwa mit Programmen wie Green Invest für Energieeffizienz. Das Ziel ist, möglichst vielen kleinen und mittleren Firmen dabei zu helfen, deutlich besser mit Energie umzugehen und damit in der Summe für Thüringen einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und die CO2-Bilanz nachhaltig zu verbessern. Bei Erneuerbaren Energien sorgt das Programm Solar Invest dafür, dass Solaranlagen wirtschaftlich betrieben werden. Mit der Förderung von E-Bussen und dem Programm EMobil Invest beschleunigen wir den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität. Und das NAT-Abkommen in Thüringen mit über 600 Unternehmen zeigt, wie immer mehr Thüringer Unternehmen Wirtschaftskraft und Umweltschutz zusammendenken.

Was wären aus Ihrer Sicht die ersten Fragen, die man sich stellen sollte, wenn man als Unternehmer anfängt, über diese Dinge nachzudenken?

Wie schaffe ich eine Win-Win-Situation, die meinem Unternehmen langfristig Gewinn und Perspektive bietet und gleichzeitig gesellschaftliche Anerkennung, weil Klima- und Umweltschutz mitgedacht werden. Wie schaffe ich es also, über den Tag hinaus zu denken und jenseits des kurzfristigen Profits, das langfristige Wachstum meines Unternehmens im Blick zu haben. Welcher Produktionsprozess benötigt weniger Ressourcen und schafft Produkte, die nach Gebrauch wieder dem Stoffkreislauf zugeführt werden können? Bei Born Senf beispielsweise habe ich mir zeigen lassen, wie dort die Cradle to Cradle-Idee mit Leben gefüllt wird. Ein paar Beispiele: Die Senfbecher als Verpackungen sind komplett zerlegbar und die sogenannten „Squeezer“-flaschen zu 100 Prozent recyclebar. Das Unternehmen baute ein CO2-neutrales Logistik- und Verwaltungsgebäude und nutzt Elektromobilität für Transportwege und bei Dienstwagen. Die Verpackung von angelieferten Kisten wird geschreddert und als Polstermaterial für den Versand weiterverwendet. Das ist spitze.

Welchen Werkzeugkasten hat die Landesregierung – speziell Ihr Ressort – um Unternehmen auf dem Weg zu einem überlegteren Umgang mit Ressourcen zu begleiten?

Das tun wir auf drei Ebenen: Erstens Beraten. Zweitens Fördern. Drittens Austauschen. Die ThEGA, unsere Landesenergieagentur, berät. Mit Green Invest ermöglichen wir den kleinen und mittleren Unternehmen in einem ersten Schritt, einen Energieberater zu beauftragen,  die  energetische Analyse des Unternehmens vorzunehmen und lohnende Investitionen zu identifizieren. Danach kann sich das Unternehmen unsere finanzielle Unterstützung dafür holen, ein Energieeffizienzprojekt umzusetzen. Im NAT-Abkommen vernetzen sich vorbildliche Akteure und unterstützen sich.

Stichwort finanzielle Unterstützung: Manchmal braucht es einen finanziellen Impuls, um als richtig Erkanntes in Angriff zu nehmen. Können Sie spezielle Fördermöglichkeiten benennen, die Unternehmen in Sachen Ressourcen-Effizienz nutzen können?

Forschungsvorhaben und Bundesprogramme gehören dazu. Es gibt ein Programm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), das Investitionsmaßnahmen für Ressourceneffizienz und Materialeinsparung fördert. Und die Umweltschutzförderung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt zielt außerhalb der staatlichen Programme oder in Ergänzung auf innovative, modellhafte und lösungsorientierte Vorhaben beim klima- und ressourcenschonenden Bauen, bei Ressourceneffizienz durch innovative Werkstofftechnologie und Stoffkreisläufen. Impulse gibt es also reichlich.