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Manchmal ist es nur ein Wort… (Blog 2 aus Katowice)

Auf den Fluren der COP wurde heute eine Geschichte hoch und runter erzählt: Vorgestern stand der Erfolg dieser Weltklimakonferenz auf der Kippe wegen eines einzelnen Wortes. Es ging um die Frage, ob der Bericht des Weltklimarates IPCC von den Nationalstaaten „begrüßt“ oder nur „zur Kenntnis“ genommen werden sollte. Eine Vielzahl von Ländern und Gruppen forderten ein ambitioniertes Ergebnis des Talanoa Dialogs und eine klare, auch formelle, Anerkennung des 1.5°-IPCC Berichts im UNFCCC-Prozess. Insbesondere die USA und Saudi-Arabien, aber auch Russland sperrten sich gegen eine Anerkennung des IPCC-Berichts und erzwangen aus diesem Grund eine Verschiebung der Entscheidung auf eine spätere Sitzung.

Neben dieser Frage gibt es noch tausende eckige Klammern in den Abschlussdokumenten, die Alternativformulierungen enthalten. Es gibt hier noch so viel zu tun. Zu allen Arbeitsbereichen des Pariser Regelwerkes liegen nun zwar Textentwürfe vor. Jeder der Texte wurde schon drei mal überarbeitet und zu rein technischen Punkten wurden gute Fortschritte erzielt. Die eher politischen Punkte wurden aber komplett ausgeklammert. Viele Fragen sind also noch nicht geeint. Sinnbild für die Entscheidungsbugwelle, die alle vor sich her schieben, war dieses eine Wort: „begrüßen“.

Selbst der BDI hat heute bei seinem Empfang klar votiert: Selbstverständlich führt an der Realität kein Weg vorbei, man solle sich mal die Kosten vorstellen, wenn wir nicht umsteuern. Weltweit könne der gesamte Klimawandel vernünftig, also volkswirtschaftlich angemessen, zur Konjunkturmaschine werden. Was für eine Chance!

Alle drängen bei dieser wichtigsten Konferenz nach Paris darauf, dass es weiter geht. Beim Empfang er Wirtschaft eben wie bei den großen NGOs will man, dass es endlich das Regelbuch gibt, dass Transparenz hergestellt und man dem Anpassungsdruck gerecht werden kann. Noch sind zwar 4 Tage Zeit, aber die polnische Präsidentschaft fällt nicht durch übermäßig ambitionierte Zielsetzung auf, spiegelt man aus den Verhandlungsrunden.

Vergleicht man das Energiesystem Polens mit dem der Bundesrepublik habe ich zumindest aus dem Osten kommend den Eindruck, dass hier die Zeit stehen geblieben ist. Es riecht exakt so, wie ich den Geruch meiner Kindheit in Gera erinnere: nach Kohle.

Deutschland will raus aus Kernenergie, ist raus aus dem Steinkohleabbau und muss demnächst mal entscheiden, wie es sich zur Braunkohle positioniert. Polen will vielleicht rein in die Atomkraft und hält zugleich an heimischer Braun- und Steinkohle fest. Bei der Steinkohle scheint man in Deutschland schon weiter – zumindest was die Förderung unter Tage angeht: die geht dieser Tage in Deutschland zu Ende. In Katowice, der Heimat des größten Steinkohlebergbauunternehmens Polens jedoch, werden weiterhin satte Subventionen für die Steinkohle aufgebracht. Es geht dabei nicht nur um die Tradition sondern auch um die Unabhängigkeit von außen, die heimische Versorgungssicherheit ist den Polen ein besonderes heikles Thema. Da nimmt man auch die hohen finanziellen und die hohen Umweltkosten in Kauf (u.a. hohe Quecksilberbelastung). Immerhin hat die Kohle in der Energiewirtschaft Polens einen festen Platz: mehr als 80% des Stroms kommen aus der Kohle – wenngleich immer öfter auch aus billigeren Importen.

Angesichts der Integration des europäischen Marktes und der europäischen Energiepolitik gibt es natürlich dennoch viel Verbindendes. Deutschland setzt seinen Überschussstrom auch in Polen ab und trägt damit dazu bei, dass die polnische Steinkohle noch unattraktiver wird. Mit ca. 6 Terrawattstunden fließt fast die Energie eines großen Kraftwerksblock 2018 über die Grenze. Und die deutsche Kritik an Polen als Kohleland läuft so lange ins Leere, wie Deutschland selbst den Weg in den Kohleausstieg nicht beschreitet – denn auch bei uns liegt der Anteil von Atomkraft und Kohle gemeinsam noch bei über 50 % an der Stromerzeugung, trotz des Erfolgs der erneuerbaren Energien. Damit ist klar: an einem verbindlichen Ausstiegspfad aus der Kohle bis 2020, einem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren und transparente und gerechte Steuern auf CO2 muss der Bund sich messen lassen. Bisschen Schönfärberei bringt gar nichts.

Bei einer mit Vertreter*innen aus Malaysia, Irland, Argentinien und Belgien besetzten Diskussionsrunde im Europäischen Pavillon ging es darum. „Was liefert ihr konkret und wie finanziert ihr das?“ war die Frage. Wir können Transformation und umweltfreundliche Wirtschaft. Thüringen ist stark, wenn es darum geht Unternehmen in Energieeffizienz zu unterstützen, den Ausbau der Windenergie fair (also mit finanziellen benefits für die Kommunen) zu gestalten oder ungewöhnliche und inspirierende Diskussionräume zu bieten. Mit Blick auf den Klimapavillon, Green Invest, Solar Invest oder EMobil-Invest liefern wir verlässliche Förderprogramme. Die Thüringer Energie- und Klimaschutzstrategie (IEKS), an der sich Bürgerinnen und Bürger bereits online beteiligen konnten, untermauert das KlimaGesetz, das hoffentlich am 14.12. verabschiedet wird, mit konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz. Unseren Kurs, darin Klimaschutz und Klimaanpassung zusammen zu denken, sehe ich auch hier immer wieder bestätigt.

Insgesamt ist die Formel für mehr Klimaschutz einfach: Energie einsparen, mehr Effizienz und mehr erneuerbare Energien. Bei den erneuerbaren Energien ist vor allem der Ausbau von Photovoltaik und Windenergie weiterhin nötig. Wir decken in Thüringen 2/3 unseres Stromverbrauches aus eigener Produktion. 59 Prozent davon sind Ökostrom. 2040 sollen bilanziell 100% der Energie aus erneuerbaren Quellen in Thüringen gedeckt werden.

Genau dieses „Wie“ diskutieren Vertreter*innen aus der ganzen Welt. Damit wir unseren Kommunen den Zugang zu solchen Debatten, wo alle voneinander lernen, künftig erleichtern, sind wir heute als Koordinator dem „Konvent der Bürgermeister“ beigetreten. Ich könnte mir keinen geeigneten Ort vorstellen, als eine Weltklimakonferenz. Thüringen ist nun Teil einer weltweiten Allianz von klimastarken Städten. In diesem Zusammenschluss der Bürgermeister*innen geht es um intensive Zusammenarbeit bei Klimaschutz und Klimaanpassung. Als Vermittler zwischen Konvent und Thüringer Kommunen unterstützen wir so Kommunen, die sich weltweit vernetzen und vor Ort einbringen wollen. Weil jeder ein Stück zum Großen ganzen, dem Menschheitsthema Klimaschutz, beitragen kann. Das ist eigentlich das entscheidende Wort: Beitrag. Nur zuhause vor Ort kann eine bessere Zukunft zur Realität werden. Egal ob in USA, Polen, Malaysien oder bei uns: wir müssen unsere globale Verantwortungsgemeinschaft „zur Kenntnis“ nehmen und deshalb sollten wir jeden Beitrag dazu „begrüßen“.