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COP23 – Tag 2 – Über verpasste Chancen, trotzige Auftritte und mutige Zwischentöne

Der graue Novemberhimmel hängt an diesem wichtigen Verhandlungstag tief über Bonn. Alle TeilnehmerInnen wissen, dass es heute auf die Zielgerade geht und die Positionierungen insbesondere von Kanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die letzten beiden Verhandlungstage erheblich sein werden.

Insgesamt haftet der Weltklimakonferenz in Bonn der Charakter eines ‚Seed Summit‘ an, also als Gipfel der Aussaat. Hier soll der Kern für spätere Erfolge gesät werden, der nach Paris in einem schließlich 20 Jahre währenden Prozess wachsen und gedeihen soll. Richtlinien und allgemein akzeptierte Regelwerke sind zu erarbeiten, die Finanzierung nach dem de-facto-Ausstieg der USA sicher zu stellen und konkrete Beiträge zu verabreden, damit sich die Emmissionen nicht weiter erhöhen.

Und das tun sie. Allein China hat seit 1990 seinen CO2 Ausstoss um 353 Prozent auf über 10000 Millionen Tonnen jährlich erhöht, Indien um knapp 300 Prozent auf immerhin 2500 Millionen Tonnen CO2 jährlich und das vergleichsweise kleine Saudi Arabien um 200 Prozent auf 517 Millionen Tonnen jährlich. Europa, die USA und auch Russland haben im Vergleich zum Kyoto-Protokoll Basis-Jahr ihre Emmissionen halten oder gar senken können. Aber es reicht bei weitem noch nicht, um die 1,5 Grad, die in Paris verabredet wurden, einzuhalten.

Und so ist es wohl alles andere als Zufall, als zum mit Spannung erwarteten High-Level-Segment am Nachmittag der amtierende Premierminister der Fidschi-Inseln und Gastgeber der Konferenz einen Jungen aus seinem Land, den pazifischen Inseln, von Stürmen, desaströsen Ernteausfällen, dem Ansteigen des Meersspiegels und Erwartungen der kommenden Generation an die Entscheider eindringlich reden lässt. „It’s time to take Action. Now“, ruft der Junge den Delegierten aus 196 Ländern immer wieder zu.

Und dann kommt sie, die Gelegenheit der Kanzlerin den seit 4 Wochen andauernden zähen Verhandlungsprozess um Jamaika unter den Augen internationaler Zeugen zum eigenen Befreiungsschlag zu machen und sich klar zu positionieren, wie eigentlich die Bundesrepublik bis 2020 40 Prozent CO2 im Vergleich zum Basisjahr 1990 einsparen will. Schnell wird klar, sie kommt mit leeren Händen. Ja, sie findet zwar warme Worte, zur „Schicksalsfrage Klimawandel“, illustriert, wie „mühsam gemeinsame Verabredungen im eigenen Land zum Klimaschutz sind“ angesichts der Diskussion um Arbeitsplätze und Wirtschaftlichkeit. Just am gleichen Morgen hatte der Tagesspiegel eine Studie des BDI gelaeked, in der der Zusammenhang zwischen Investitionen in Klimaschutz und einem steigenden Wirtschaftswachstum wissenschaftlich dargelegt wird. Kein Wort dazu in der Rede. Oder zur erneuten Einschätzung der Agentur für Erneuerbare Energien, wonach das Abschalten von 20 Kohlekraftwerken das Netz deutlich entlasten würde. Es ist eine verpasste Chance sondergleichen.

Und der französische Präsident Emmanuel Macron erkennt das sofort. Sein Auftritt im Anschluss an Merkel macht ihn zum Klimamanager Europas. Er hat eine Vier-Punkte-Agenda im Gepäck, lädt die Europäer zu einem Zwischengipfel am 12.12. nach Paris ein, um über weitere Schritte zu sprechen und geht die USA frontal an.

Überhaupt, die USA. Wenn man durch die „Bonn-Zone“ streift, wo die Länder ihre Stände und Pavillons aufgebaut haben und zu Veranstaltungen einladen, sucht man die USA vergeblich. Aber am anderen Ende des Geländes, direkt vor der Verhandlerzone ragen weiße Zelte mit großen Aufdrucken „Americas pledge. #wearestillin“ auf. Dort präsentieren sich Unternehmen, Universitäten und Bundesstaaten der USA und bekennen sich zum Paris-Abkommen. Die Gespräche in der Trutzburg zeigen, dass die Regionen und Akteure unterhalb der staatlichen Ebene immer wichtiger werden. Das erfahren wir auch in anderen Gesprächen mit NGOs. Klimaschutz voran zu treiben durch Bewegungen von unten, sei das nun ein Abkommen wie #Under2MOU, dem auch Thüringen 2015 beigetreten ist und das ständig wächst oder die eben nicht von der amerikanischen Regierung geförderte, sondern von mutigen Akteuren erschaffene alternative Präsenz U.S. Climate Action Center, wird immer wichtiger. Da genügen aber nicht nur Worte. Sondern sichtbare Allianzen. Die sind in Bonn an ganz vielen Stellen zu finden.