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Gastbeitrag: Das Wasserstoff-Potential Thüringens nutzen

Vor wenigen Wochen rollte ein wasserblauer Zug durch Thüringens beschauliches Schwarzatal. Unsere Idee: Wir zeigen umweltverträgliche Mobilität von morgen auf der Schiene und zwar mit dem Treibstoff Wasserstoff. Die Resonanz: Überwältigend. Viele Menschen standen während der Probefahrt mit dem Coradia iLint an den Bahnhöfen und zeigten sich begeistert. Diese Fahrt war also nicht nur irgendeine Testfahrt – sie zeigte einen Weg in die umweltfreundliche und klimaneutrale Lebenswelt von morgen.

Wasserstoff, mit Hilfe von Strom aus Wasser hergestellt, lässt sich als Energiespeicher und Energieträger direkt nutzen. Dabei entsteht als einziges „Abgas“ Wasserdampf. Es ist das kleinste und einfachste Molekül und wird immer wichtiger für die Speicherung und Nutzung von Erneuerbarer Energie. Wasserstoff kommt dort zum Einsatz, wo sich der Strom aus Windkraft und Photovoltaik nicht direkt nutzen lässt. Zum Beispiel im Verkehr – denn nicht überall eignen sich Batterien wie bei den E-Autos. Bei schweren Fahrzeugen mit längerer Reichweite, also bei Bussen, Bahnen, LKW hat Wasserstoff noch sehr viel Potential. So kann der Weg zum sauberen Antrieb in Thüringen und in Zukunft aussehen: Der Strom kommt beispielsweise aus einem bestehenden Windpark und wird durch Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt. Eine Tankstelle beliefert den Fuhrpark. Damit können wir die Stromwende endlich via Sektorkopplung zur echten Energiewende machen. Den das meint Sektorkopplung: Aus grünem Strom wird saubere Wärme durch Brennstoffzellenheizungen, die gleichzeitig Wärme und Strom erzeugen oder eben Treibstoff für einen Zug.

Erst Mitte Mai haben wir in Thüringen wir mit ZO.RRO ein großes Forschungsprojekt gestartet – ein Netzwerk aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, das sich zum Ziel genommen hat: Bis Mitte des Jahrhunderts den CO2-Ausstoß in Thüringen auf Null zu bringen. Genauso wie es das Klimagesetz vorgibt. Aber: Gelingen soll und kann das nur mit innovativen Ansätzen, die neue Wirtschaftskraft in Thüringen auslösen. Ich bin mir sicher, dass das Projekt ZO.RRO bundesweite Strahlkraft entfalten wird.

Und: Um konsequent unser Klima zu schützen und gleichzeitig die neuen wirtschaftlichen Chancen zu nutzen, brauchen wir jetzt schon greifbare Projekte für eine klimaneutrale, sichere und bezahlbare Energie- und Wärmeversorgung. Wenn wir die unendlich verfügbare Erneuerbare Energie aus Sonne, Wind und Wasser intelligent und innovativ nutzen wollen – und Wasserstoff wird dabei eine immer größere Rolle spielen – muss der Bund uns in den Ländern unterstützen. Bislang gibt es weder eine Bundes-Wasserstoffstrategie, noch Anreize für Unternehmen, die Wirtschaftlichkeitslücke beim Erzeugen von grünem Wasserstoff zu schließen. Das bisherige System aus Umlagen, Abgaben und Steuern verhindert eine wirtschaftliche Erzeugung von Wind-Wasserstoff und Investitionen in die Technologie. Das bremst.

Thüringen legt daher vor: Klimagesetz – Wasserstoffstrategie – Modellregion. Mit dem Klimagesetz haben wir uns in Thüringen dem Klimaschutz und dem Senken der CO2 Emissionen bis 2050 um 95 Prozent verpflichtet. Um das zu schaffen, kommen wir um Innovationen im Bereich Mobilität gar nicht drum herum. Sicher ist: Saubere Technologien werden sich hierzulande und weltweit durchsetzen. Zum Beispiel bei der kommenden Olympiade in Tokyo, mit Wasserstoff als Hauptenergieträger der Spiele.

Mit dem Ausbau von öffentlichen Ladesäulen für batterieelektrisch betriebene Autos kommen wir gut voran. Und die kommunalen Nahverkehrsbetriebe steigen langsam auf die von uns geförderten EBusse um. Der nächste Schritt: Weniger Debatten um die Glaubensfrage: Batterie oder Brennstoffzelle? Zum Erreichen der ambitionierten klima- und energiepolitischen Ziele kann die Antwort nur sein: Batterie und Brennstoffzelle! Deshalb erarbeiten wir eine Wasserstoffstrategie für Thüringen.

Wir denken Umwelt und Wirtschaft zusammen. Die Wasserstoffära in der Energiewende fängt dann an, wenn die Technologie wirtschaftlich ist. Damit wir zeigen, was möglich ist, werden wir in einer Modellregion mit guten Vorrausetzungen mehr erproben. Schon jetzt gibt es beim Wasserstoff inspirierende Beispiele aus Thüringen  – wie beispielsweise die Entwicklung von Elektrolyseuren und Wasserstofftankstellen durch hiesige Unternehmen. Das Know-How ist vorhanden, nur bisher wird von hier für Abnehmer außerhalb Thüringens produziert. Das soll sich ändern. Wir kümmern uns darum, dass Wasserstoff auch in Thüringen Zukunft hat. 

–Der Gastbeitrag wurde am 4. Juni 2019 in der Thüringer Allgemeinen veröffentlicht–