Skip to content

Warum jeder Schritt nach vorn in der Klimapolitik immer einer zu wenig ist…

Zur 100. Kabinettssitzung von Rot-Rot-Grün stand der erste Kabinettsdurchgang des Klimagesetzes am Dienstag auf der Tagesordnung. Monatelang haben wir mit den anderen Ressorts um jeden Halbsatz gerungen. Endlich würde eine erstmalig verbindliche Gesetzesgrundlage diskutiert werden.

Und just an jenem Tag, als die Koalition sich nach zähem Ringen, bei dem wir auch Kompromisse eingehen mussten, auf einen großen Schritt für gutes Klima in Thüringen verständigte, nahm auf der anderen Seite der Weltkugel der amtierende US-Präsident Donald Trump per Dekret die klimapolitischen Ziele der Obama-Regierung zurück. Trumps Dekret richtet sich gegen den „Clean Power Plan“, Barack Obamas zur Verringerung der CO2-Emissionen von Kraftwerken, in denen Kohle, Öl und Gas verbrannt wird. Der Plan war Kernstück der US-Verpflichtungen im Klimaschutzabkommen von Paris.

Hier wie da gehen die Uhren bekanntlich anders, aber sogar in entgegengesetzte Richtungen, das ist neu. Gerade weil die USA als einer der größten Emittenten für CO2 gelten und weil nach Paris und dem dort errungenen, von Umweltverbänden zunächst kritisierten aber nun in seiner Umsetzung umso drängender zu unterstützenden Beschluss keine Zeit mehr verstreichen sollte, ist dieser Schritt Trumps eine Ohrfeige für viele, die jahrelang für besseren Klimaschutz kämpfen. Dass gerade das Land, dass den Klimawandel durch Hurricans, extreme Hitze und Überschwemmungen stetig spürt, diesen Rückschritt machen soll, wird Widerstand erzeugen. Am 29. April, wenn wir unseren Klimapavillon auf der Landesgartenschau in Apolda eröffnen, ruft der Sierra Club landesweit zum Protest auf.

Wenn die USA nun aussteigen, lohnt sich dann der „kleine“ Thüringer Beitrag überhaupt? Schon heute wirkt sich der globale Klimawandel auch auf Thüringen aus. Gerade heute, wenn ich diese Zeilen schreibe, sollen an einem Märztag mit einer Durchschnittstemperatur von normalerweise 15 Grad 25 Grad werden. Nun ist Wetter nicht Klima, aber wir messen in Thüringen Jahr für Jahr einen Temperaturanstieg, weniger Frosttage, mehr Extremwetterlagen wie Hochwasser oder Hagelereignisse. Abwarten ist keine Option, denn es geht um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das duldet keinen Aufschub.

Das Thüringer Klimagesetz ist unser entschlossener Fahrplan für eine Treibhausgasreduzierung und Klimaanpassung mit Handlungsspielräumen für alle wichtigen Akteure: Kommunen, Gebäudeeigentümer und uns selbst als Landesregierung. Das Gesetz ist der Buchdeckel und das Inhaltsverzeichnis für eine moderne Klimapolitik in Thüringen. Die Seiten beschreiben werden wir mit der Klimastrategie, die wir im ganzen Jahr 2017 öffentlich diskutieren werden.

Was steht denn nun drin im Gesetz? Erstmalig werden wir konkrete Mindestziele für CO2–Ausstoß festlegen. 70-80-95 ist die Formel dafür. Die mit dem Koalitionspartner verabredete Zielkorridore sorgen dabei für Flexibilität, aber für uns ist doch klar: Wir streben den unteren Rand des verbleibenden Zielkorridors an. Sind 13 Prozent Einsparung bis 2030 zu wenig? Mit Sicherheit kann jeder Schritt zur CO2 Einsparung nicht groß genug sein, aber allein in den letzten beiden Jahren sind die Emissionen im Verkehrsbereich wieder deutlich gestiegen. Eine ‚tief hängende Frucht’, die uns in den Schoß fällt, sind die 13% nicht!

Die Kommunen erhalten Klimaschutz als Aufgabe im eigenen Wirkungskreis, damit sie frei planen können und werden vom Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz mit Mitteln dazu ausgestattet. Enormes Einsparpotential sehen wir im Wärmesektor, deshalb wir kommunale Wärmepläne fördern.

Im Strategieprozess der Landesregierung ist durch das Gesetz eine Bürgerbeteiligung festgeschrieben, denn Klimapolitik kann man nicht verordnen, sondern nur gemeinsam entwickeln. Der Diskussionsprozess ist gestartet und zwar mit allen Akteuren, von A wie der Arbeitsgruppe Artenschutz bis hin zu Zalando, dem Logistiker. Wie sollten wir auch anders die Realität verändern?
Auch klimaneutral wohnen und leben ist eines der Ziele des Gesetzes. Gemeinsam mit Gebäudeeigentümern wollen wir klimafreundliche Gebäude zum Standard machen, haben  Leitlinien für die Entwicklung einer CO2-armen Mobilität im Straßen- und Schienenverkehr im Gesetz und die Klimaanpassung in den Regionen geregelt.

Das alles ist manchen viel zu wenig und anderen viel zu viel. Ich sage, es ist ein Anfang. Am selben Tag kam eine meiner Töchter mit einem Test aus der Schule zur Unterschrift nach Hause. Überschrift: Kohleentstehung. Ergebnis: „Diese wird dann zum Verbrennen genutzt, da in den Pflanzen Kohlenstoff ist.“ Alles richtig, der zweite Teil der Geschichte, was nach der Verbrennung passiert, wurde nicht abgefragt. Das wäre dann der nächste Schritt…