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Für Verzweiflung ist keine Zeit (Blog 4 aus Katowice)

Al Gore ist ein international gefragter Redner. Der Friedensnobelpreisträger, der seit Jahren für mehr Klimaschutz kämpft, ist regelmäßiger Gast auf UN-Klimagipfeln. Nun auch in Kattowitz. Nachdem er eindringlich an die Vertreter*innen aus aller Welt im Plenarsaal der COP24 appelliert hatte, schnell und entschlossen die von Treibhausgasen verursachte Erhitzung der Erde einzudämmen, bekam er stehende Ovationen.

Vielleicht kam die Rede genau zum richtigen Zeitpunkt, denn es klemmt nach wie vor an entscheidenden Punkten im Abschlussdokument. Einige weigern sich unter dem Vorwand ihrer Souveränität die selbst verursachten Emissionen transparent zu machen (Saudi-Arabien), Russland will das Verbrennen von Holz gleich ganz aus der Emissionsliste tilgen und die USA negieren weiterhin regierungsseitig die wissenschaftliche Grundlage vom IPCC.

Dabei ist der Klimawandel voll im Gange, mit verheerenden Folgen wie kaum erträglichen Hitzewellen, teils jahrelangen Dürren, Überschwemmungen und extremen Stürmen, machte Al Gore klar. Deshalb müssen immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen. Ganze Regionen Afrikas und des Nahen Osten werden unbewohnbar, wenn die Erde sich weiter so stark aufheize wie derzeit. Mit einer Milliarde Klimaflüchtlingen müsste dann bis Mitte des Jahrhunderts gerechnet werden.

Deshalb darf die Weltgemeinschaft jetzt nicht aufgeben, ja man dürfe den kommenden Generationen keine „Hölle auf Erden“ hinterlassen. Die Zeit dränge sehr. „Für Verzweiflung haben wir keine Zeit.“

Auch die Gefahren der vielerorts extremen Luftverschmutzung und Hitzeperioden für die Gesundheit seien immens, sagte Al Gore. Im Gastgeberland Polen, wo viel Kohle in Kraftwerken und in Haushalten verbrannt wird, gebe es jährlich rund 50000 vorzeitige Todesfälle infolge der Luftverschmutzung. Europaweit, so meldet es die Europäische Umweltagentur EEA, sind es allein 2017 520000 Menschen gewesen, die durch Stickoxide oder Feinstaub ums Leben kamen. Ein gutes Signal ist, dass der Europäische Gerichtshof gerade einer Beschwerde mehrerer europäischer Städte recht gegeben hat. Als Reaktion auf den Abgasskandal hatte die EU 2016 für neuartige Testmethoden die Grenzwerte angehoben. Nun sagt das Gericht, damit habe die Kommission ihre Kompetenzen überschritten. Im Sinne der Gesundheit der Menschen ein gutes Urteil.

Diese Zahlen sind für manche unbequem, aber sie zeigen, warum Handeln so nötig ist. Der Bund tut sich nach wie vor schwer. Mein Eindruck nach den Rücksprachen mit den VertreterInnen des Bundesumweltministeriums ist, dass das Haus zwar will. Ob es aber auf Bundesebene mit dem jetzt gewählten Ansatz der Umweltministerin, jedes andere Ressort solle mal aufschreiben, was es liefern will, jemals zu einem Klimagesetz kommt, wage ich sehr zu bezweifeln.

Umso wichtiger unser Gesetz: 70-80-95 – das ist die Formel für Thüringen. In 4 Podien habe ich nun die Transformationsgeschichte Thüringens seit 1990 erzählt hin zu einem Land, das seine Emissionen um fast 60 Prozent gesenkt hat und grösstenteils umweltverträglich wirtschaftet, nahe an der Vollbeschäftigung ist und immer wieder grossartige Innovationen hervor bringt. Viele kannten das grüne Herz als Land der „fairytale castles“, der Wartburg oder des Thüringer Waldes. Jetzt kennen sie es darüber hinaus als Land mutiger Menschen, die den geringsten CO2 Abdruck der Bundesrepublik haben. Immer mal wieder wurde ich aber auch auf die Situation des Radverkehrs angesprochen, die anscheinend keine*n bei einem Aufenthalt bei uns restlos überzeugte. Daran sollten wir weiter arbeiten!

Was mich auch freute, war – neben dem Interesse an meinen Podien im europäischen und deutschen Pavillon auf dem Weltklimakonferenz-Gelände – die Begegnung im Franziskanerkloster mit dem Prior. Wir konnten nicht nur gemeinsam die Glasarche, die bereits in Apolda und Altenburg stand, besichtigen, sondern sprachen über das umweltpolitische Engagement des Ordens. Und das wird manchmal auf ganz weltlichen Wegen aufgehalten. Derzeit wartet der Franziskanerorden auf die Freigabe der ersten Elektroladesäule an der Kirche. Im Sinne Franz von Assisis halten wir – der Prior und ich – es aber beide mit dem Motto Geduld und „So lange wir Zeit haben, lass uns Gutes tun!“