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Wirtschaft

Nachhaltiges Wirtschaften setzt zirkuläres Denken voraus. Keine Kreislaufwirtschaft können wir uns gar nicht mehr leisten.

Unsere Wirtschaft steht derzeit vor riesigen Herausforderungen. Der Umbau hin zu einer klimagerechten Wirtschaftsweise, die unseren und den Wohlstand künftiger Generationen sichert, braucht zupackende Hände und mutige Köpfe. Und wer das Klima schützen und sparsam mit unseren endlichen Ressourcen umgehen will, darf nicht nur den Energie- und Wärmebereich betrachten. Vielmehr wird nur mit dem  Aufbau einer Kreislaufwirtschaft die Transformation wirklich gelingen.

Der Begriff der Kreislaufwirtschaft, den David W. Pearce 1990 einführte, betrifft heute nahezu alle wirtschaftlichen Sektoren: Bauen und Wohnen, Ernährung und Energieversorgung. Wenn bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden, wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert und die Umwelt geschont. In der Praxis bedeutet dies, dass Abfälle auf ein Minimum reduziert werden und das Schliessen des Stoffkreislaufs gelebte Praxis ist.

Ihrem Wesen nach ist unsere heutige industrielle Infrastruktur jedoch linear (Produktion-Konsum-Entsorgung) aufgebaut. Es fehlt oft das zirkuläre Denken. In einer Zeit, in der die Auswirkungen der Klimakrise und die Knappheit natürlicher Ressourcen immer spürbarer werden, können wir uns keine Kreislaufwirtschaft gar nicht mehr leisten. 

Die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie ist daher eine Chance, dem Wirtschaftsstandort Deutschland eine neue Dynamik zu geben. Je schneller, je besser. Die europäische Ebene hat die Weichen in Richtung Kreislaufwirtschaft mit dem Green Deal und dem Aktionsplan Kreislaufwirtschaft gestellt. Danach ist das Thema Kernstück der europäischen Industriepolitik. Ausserdem sollen in der EU nur noch Produkte zugelassen werden, die langlebig, reparierbar, wiederverwendbar und recycelbar sind. Europa wird damit global zum Leitmarkt für grüne Innovationen. Mit der neuen Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte setzt die EU ausserdem einheitliche Regeln für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und Entwicklung grüner Zukunftstechnologien. Ein Novum ist auch die geplante Einführung des Digitalen Produktpasses. Alles in allem sind das wichtige Schritte für ein Design for Recycling.

Kreislaufwirtschaft erhöht aber auch die Rohstoffsicherheit und sichert Zukunftstechnologien. Vor dem Hintergrund eines weltweit zunehmenden Rohstoffverbrauchs und der Endlichkeit zahlreicher Primärrohstoffe rücken die Sekundärrohstoffe verstärkt in den Fokus. Der Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft braucht Raum für Innovation und verlässliche Rahmenbedingungen, damit Rohstoffe und Energie gespart und Abhängigkeiten reduziert werden. Wer Rohstoffsicherheit will, braucht eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Abfall ist dann nicht bloss Müll, sondern Teil des Geschäftsmodells einer Rückgewinnungswirtschaft. Beispiel Plastik: Nur 10 Prozent des in Deutschland jährlich produzierten Plastiks gelangen wieder in den Stoffkreislauf. Es könnten 100 Prozent sein, wenn der Rahmen stimmt!

Plus: Der Ausbau der Kreislaufwirtschaft macht unsere Gesellschaft nicht nur krisensicherer. Die Verbraucher:innen wollen mehr Kreislaufwirtschaft. Als Thüringer Umweltministerin habe ich den bundesweit ersten Reparaturbonus gestartet. In Kooperation mit der Verbraucherzentrale Thüringen erhält, wer sein defektes Elektrogerät repariert, die Kosten für die Reparatur erstattet. Wiederverwenden statt Wegschmeissen: Das schont den Geldbeutel und die Umwelt. Bis es ein Recht auf Reparatur gibt, hilft dieser Bonus Ressourcen schonen. In doppeltem Sinne. 

Die zirkuläre Wirtschaft von morgen wird digital sein. Wo digitale Prozesse den Unternehmen helfen können, entstehen neue Material Marktplätze, die mit 2 Klicks wertvolle Materialquellen sprudeln lassen. Was für ein Potential!

Um die derzeitigen vielfältigen Herausforderungen zu meistern, müssen wir die Zusammenhänge erkennen, die zentralen Fragen neu stellen und einstig richtig geglaubte Antworten überdenken. In der Branche sind einerseits so viele Menschen beschäftigt, wie in der Energiewirtschaft. Zugleich spielen Fragen der Produktgestaltung/Wiederverwendung/Rückgewinnung in der Gesellschaft noch keine herausgehobene Rolle. In diesem Jahrzehnt der Transformation muss sich zeigen, ob aus der gesellschaftlichen Debatte um mehr Klimaschutz auch eine um mehr Kreislaufwirtschaft wird und ob der Aufbau einer Rückgewinnungswirtschaft gelingt.

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