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„Regional und grün erzeugter Wasserstoff hat große Wertschöpfungspotenziale“ – Gastbeitrag im Wirtschaftsspiegel

Als im Februar 2019 erstmals ein mit Wasserstoff angetriebener Zug durch Thüringer Winterlandschaft fuhr, waren die Menschen von dieser neuen, sauberen Technologie fasziniert. Hunderte Schaulustige säumten die Strecke durch das verschneite Schwarzatal.  Sie wollten unbedingt den wasserblauen Zug auf der Sonderfahrt von Rottenbach nach Katzhütte sehen.

Der Zug hat Symbolkraft: So geht also Mobilität von morgen auch in großem Maßstab und gerade im ländlichen Raum, klimaneutral, wenn der Wasserstoff grün, also mit Erneuerbaren Energien, erzeugt wird.  Heute ist Wasserstoff weltweit der Hoffnungsträger für eine gelingende Energiewende vor allem im Verkehrsbereich, aber auch als Baustein für das Speichern klimafreundlicher Energie aus Sonne und Wind. Die Rede ist inzwischen sogar vom neuen „Öl“.

Die Thüringer Landesregierung startete vor einigen Monaten eine „Taskforce Wasserstoff“. Aus gutem Grund, denn hier geht es um viel Potential für Thüringer Wirtschaftskraft und Klimaschutz, um Investitionen in Innovation und die Zukunftsfähigkeit unserer Energiesysteme.  Gerade erst hat das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und das Beratungsunternehmen DIW Econ eine Studie veröffentlicht, die zeigt: Durch die Produktion von Wasserstoff mit Ökostrom könnten in Deutschland Hunderttausende Arbeitsplätze entstehen. Wenn 90 Prozent des in Deutschland für das Ziel der Klimaneutralität benötigten Wasserstoffs aus heimischer Produktion kämen, seien im Jahr 2050 mehr als 800 000 zusätzliche Arbeitsplätze und Wertschöpfungseffekte von bis zu maximal 30 Milliarden Euro möglich, heißt es. Diese Wertschöpfung und die neuen Jobs soll es auch in Thüringen geben.

Wir haben Unternehmen in Thüringen, die sich damit bereits beschäftigen, die Elektrolyseure bauen und Wasserstofftankstellen. Wir haben Machbarkeitsstudien für Wasserstoff-Busse im Nahverkehr, für LKWs im öffentlichen Fuhrpark und analysieren auch den Einsatz von Wasserstoff im Industriewärmebereich. All das hat viel mit regionaler Wertschöpfung zu tun, wenn wir es richtig machen. Wir wollen so Fördergelder des Bundes nach Thüringen holen und Investitionen durch weitere Millionen aus dem Thüringer Investitionspakt verstärken. Und selbstverständlich braucht die Wasserstoffstrategie des Landes auch das Engagement der Privatwirtschaft. Die Förderung durch die in der nationalen H2-Strategie vor kurzem angekündigten Bundesgelder ist gut – aber nicht gut genug. Wir werden dann viel erreichen, wenn in Thüringen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik bei der Umsetzung der Wasserstoff-Innovationen Hand in Hand arbeiten.

Und nur mit grün produziertem Wasserstoff auf Basis von 100 Prozent Erneuerbarer Energie werden wir dem Klimaschutz gerecht. Gegenwärtig liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien am Thüringer Nettostromverbrauch bei etwa 50 Prozent. Es braucht also mehr und nicht weniger Erneuerbare Energien in Thüringen. Die vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagene Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes springt zu kurz. Entscheidend ist der Ausbau der Windenergie. Durch Repowering, durch Ausbau im Offenland, durch neue Möglichkeiten für Kommunen, eigenständig zu planen und umzusetzen. Dafür werden wir uns einsetzen. Zudem ist die Produktion von Wasserstoff noch zu teuer und wird es bleiben, solange das System von Steuern und Umlagen nicht verändert wird. Grüner Wasserstoff muss von Umlagen befreit sein.

Die Technik und das Know-How für den grünen Wasserstoff ist in Thüringen vorhanden. Die Finanzierung für flankierende Unterstützung der Landesregierung muss sich im Haushalt und Konjunkturpaket widerspiegeln. Wir möchten schon jetzt für Förderinstrumente 20 Millionen Euro einplanen. Bei all den Investitionen und Anstrengungen, die wir jetzt in dieser besonderen Zeit unternehmen, brauchen wir Klimaschutz ganz oben auf der Agenda. Und da gehört das Thema Wasserstoff unbedingt dazu. Thüringen ist startklar. Regional und grün erzeugt bietet Wasserstoff große Wertschöpfungspotenziale für die Region. Eine echte Chance.

Ein Gastbeitrag von Anja Siegesmund, Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz.

Wirtschaftsspiegel. Das Wirtschaftsmagazin für Thüringen, Nr. 06/2020, 16. Jg.