Skip to content

Brief an Bundesminister Scheuer: „Aufbau eines Zentrums für nachhaltige Mobilität in Thüringen“

Sehr geehrter Herr Bundesverkehrsminister Scheuer,

mit großem Interesse habe ich Ihre Ankündigung der Förderung eines „Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft“ in München verfolgt. Hierfür sind laut Medienberichten 500 Millionen Euro an Bundesmitteln vorgesehen. Aus Thüringer Sicht, aber sicher auch aus der Perspektive anderer strukturschwacher Regionen in Deutschland, kann ich diese Entscheidung nicht nachvollziehen. So erfreulich die Investitionsentscheidungen von CATL für eine Batteriezellfertigung am Erfurter Kreuz oder einer Fahrzeugproduktion von Tesla in Brandenburg sind: Auf lange Sicht bleiben die neuen Bundesländer die verlängerte Werkbank des Automobilsektors. Die Ansiedlung von innovativen Forschungs- und Kompetenzzentren würde diesem seit Jahrzehnten ungebrochenen Trend entgegenwirken.

Unbestritten ist, dass es angesichts der Herausforderungen für einen messbaren Klimaschutzbeitrag des Verkehrssektors der Bündelung von Kompetenzen für nachhaltige Mobilitätskonzepte bedarf. Die Digitalisierung des Mobilitätssektors kann hierfür einen Beitrag leisten, das hat zuletzt auch die durch das BMIJ initiierte „Umweltpolitische Digitalagenda“ aufgezeigt. Ob Flugtaxis an Bahnhöfen einen Beitrag zu einer nachhaltigen und klimagerechten Mobilität leisten können, wird sich jedoch noch zeigen müssen. Hat es für die Auswahl einen vorangegangen Standort- oder Ideenwettbewerb gegeben und aufgrund welcher Kriterien fiel die Wahl rund eine Woche vor den Kommunalwahlen in Bayern auf München?

Außerdem bitte ich Sie um Beantwortung der ebenso entscheidenden Frage, welche Aufgaben ein solches Mobilitätszentrum übernehmen und durch welche Institutionen und Personen es geführt wird.

Im Dreieck der Automobilherstellungsstandorte Eisenach, Leipzig und Zwickau könnte Gera ein ebenso geeigneter Standort für ein solches Mobilitätszentrum sein. U.a. wurde dort Ende vergangenen Jahres bereits ein „Kompetenzzentrum für autonomes Fahren und Mobilität 2030″ gegründet. Träger dieser Partnerschaft sind die Stadt Gera, das Institut für Autonomes Fahren, die Fischer Academy, Die Duale Hochschule Gera-Eisenach (DHGE) sowie der Studentenförderverein der Otto-Dix-Stadt. Ein solches Netzwerk unterstützt bereits heute die Ziele des BMVI, den Mobilitätswandel durch autonomes und vernetztes Fahren zu gestalten. Auch sind an der DHGE bereits praxisorientierte Forschungskapazitäten in den Bereichen Wirtschaftsinformatik, Kommunikations- und Automatisierungstechnik sowie Handel und Logistik vorhanden. Zudem lassen sich durch die Anbindung an den Campus in Eisenach wissens- und anwendungsbezogene Synergieeffekte im Bereich der Automobil- und Zuliefererindustrie nutzen. Mit der Unterstützung des Projekts „Schaufenster Elektromobilität Mitteldeutschland/Thüringen“ hat die Stadt Gera darüber hinaus bereits im Jahr 2012 den Willen gezeigt, den Transformationsprozess in der Mobilitätsbranche aktiv zu gestalten.

Im Zusammenhang mit dem Beschluss des Bundestages für die vorrangige Ansiedlung neuer Bundesbehörden in Ostdeutschland aus dem Jahre 1992 möchte ich darauf hinweisen, dass Thüringen bereits bei der Ansiedlung des Bundesfernstraßenamtes nicht berücksichtigt worden ist. Auch bei den Wettbewerben um den Aufbau einer Batterieforschungszentrums- bzw. einer großskaligen Produktionsstätte sind die ostdeutschen Bundesländer leer ausgegangen. Fraglich bleibt daher auch, wie die Bundesregierung mit dieser einseitigen Standortpolitik die noch immer bestehenden strukturellen Ungleichgewichte zwischen den Regionen in Deutschland beseitigen will.

Ich bitte Sie daher, die Standortentscheidung für ein Mobilitätszentrum in München noch einmal zu überdenken. Gerne lade ich Sie hierfür nach Gera zu einem Austausch mit den Akteuren des erst im vergangenen Jahr gegründeten Kompetenzzentrums für autonomes Fahren ein.

Mit freundliche Grüßen

Anja Siegesmund