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Laut und klar und deutlich. Vom ersten Tag an. 

Heute vor 4 Jahren: Mein erster Tag als Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Energie in Thüringen. Die Gewissheit, jetzt geht es um Verantwortung in Erfurt. Punkt. Ich erinnere mich gut an den ersten Tag: Herzklopfen, freundliche Begrüßung im Ministerium in der Beethovenstraße 3. Überhaupt, Beethoven. Erwiesenermaßen war der große Komponist ein Naturliebhaber und genoss die Spaziergänge im Freien: „Mein Dekret: nur im Lande bleiben. Wie leicht ist in jedem Flecken dieses erfüllt! Mein unglückseliges Gehör plagt mich hier nicht. Ist es doch, als ob jeder Baum zu mir spräche auf dem Lande: heilig, heilig! Im Walde Entzücken! Wer kann alles ausdrücken? (…)“

Er drückte es mit der Musik aus. Seine Naturverbundenheit können wir hören. In politischen Entscheidungsprozessen dreht ein ganzer Betrieb – einem Uhrwerk gleich – ein Rad in das andere. Sehen können die Menschen aber nur das Äußere, also ob wir erfüllen, was wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Das Uhrwerk bleibt verborgen.

Ehrlich gesagt, die Leichtigkeit der 5. Sinfonie, die Beethoven den Bächen rund um Wien widmete, überkam mich am 5. Dezember 2014 nicht. Verantwortung schmeißt ganz schön was auf die Waagschale. Jeden Tag. Wenn er ausruft „Im Walde Entzücken!“ – dann empfand ich das an den Wochenenden mit meiner Familie so, verstand, was Thoreau einst schrieb: „Ich ging in den Wald, denn intensiv leben wollte ich.“ Bis heute liebe ich jede Minute draußen. Aber die Aufgabe im Dienste des Landes liess dafür eher weniger Raum. Vier Jahre im Zeitraffer? Akten. Einlesen. Antrittsbesuche. Hier und da. Personalrunden. Kaffee im Süden. Kabinett. EEG. Bundesrat. Grüne Lage. Fraktionssitzung. Koalitionsausschuss. Mappen. Freie Schulen. Windrad. Waldwildnis. Krach mit den Förstern. Einigung mit den Förstern. Begegnungen. Kaffee mit Länderkollegen. Jena. Kernkabinett. Erfurt. Berlin. Rositz. Altlasten. Umweltsünden beseitigen. Märzenbecher im Hainich. Rhönschafe. Grünes Band. Filtererlass. Natura 2000. Natura 2000 Stationen. Terminrunde. Wildnis. Zeitdruck. Klimagesetz. Kopenhagen. Kaffee! Klimapavillon. Hochwasserschutzkonferenzen. Green belt conference. Bürouhr mit Bahn-Logo. Umweltministerkonferenzen. Sommertouren. Wanderschuhe. Fahrrad. ICE….

Das Ministerium in der Beethovenstraße, einst Hauptpostamt von Erfurt, drückt bis heute rein äußerlich schwer mit seinem neoklassizstischen „Charme“  auf jeden Betrachter und Besucher. Aber der gute alte Brecht hat recht, wenn er sagt: „ Hast Du Schweres zu entscheiden, tue Dich leicht.“ Jede Stufe nimmt sich leicht – mit Haltung. Unsere Haltung ist und war, dem Schutz unserer Lebensgrundlagen eine Stimme zu verleihen. Laut und klar und deutlich. Vom ersten Tag an. Mit „unsere“ meine ich meinen Staatssekretär Olaf Möller und Bernd Scherer, der uns am Anfang aus Schleswig-Holstein heraus unterstützte. Auch die grünen KollegInnen aus Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Niedersachen, NRW und Bremen haben uns Rückenwind gegeben. Danke! Meinem Ministerbüro und dem Büroleiter, ja allen KollegInnen, die mit neugierigen Augen bei der Personalversammlung schauten, wer da kommt und dann sofort anpackten – bin ich einfach nur dankbar. Bis heute genieße ich jede Geburtstagsrunde mit den MitarbeiterInnen egal welcher Eingruppierung, unsere gemeinsamen Sommerfeste und Weihnachtsbegegnungen im Haus – weil sie das Rückgrat unserer Umweltpolitik im grünen Herzen sind. Das Haus mag äußerlich starr und abweisend wirken, das Innenleben ist das genaue Gegenteil. Das macht das Entscheiden leicht!

Meine jüngste Tochter stellte mich einst einer ihrer Freundinnen als „Umwälzministerin“ vor. Manchmal kam es mir tatsächlich so vor. Ich bin froh, dass so viele, ob bei Bündnis 90/Die Grünen, SPD oder Linken, mit ‚wälzen‘. Für unser Land. Mit Zuversicht.

Und ausgerechnet einen Tag vor dem 4-Jährigem gelang uns der Beschluss zur Flächenkulisse Waldwildnis endgültig. Dass Buchen bis zu 400 Jahre alt werden können und Eichen bis zu 800 Jahre, das ermöglichen wir nun auf 5 Prozent der Waldfläche des Landes, die insgesamt eine halbe Million Hektar umfasst. Zu Recht spricht man über uns vom grünen Herzen, in dem nun endlich an vielen Stellen die Säge ruht und die Wildkatze ungestört schleichen kann. Beethoven würde rufen: „Im Walde entzücken!“ Damit das so bleibt, geht es morgen einfach weiter. Wie am ersten Tag: Laut und klar und deutlich.